Egal ob Tageszeitung, wöchentliches Polit-Magazin oder Versandhauskatalog: Einstmals hatte Gedrucktes eine Bedeutung, die faktisch jeden er- und umfasste, der des Lesens mächtig war. Dann jedoch begann der Aufstieg des Internets – und mit ihm hielten zahllose digitale Gerätschaften Einzug.
In der Folge fand ab den frühen 2000ern ein Wandel statt, der nicht nur bis heute anhält, sondern die Print-Landschaft nachhaltig veränderte, streckenweise sogar verheerte. Eines der Ergebnisse: Was die Nachrichten anbelangt, bleiben die etablierten Kanäle zwar an der Bedeutungsspitze, allerdings nur in Form digitaler Angebote, also primär Website, App und e-Paper.
Nehmen wir Der Spiegel als eines von Deutschlands bedeutendsten wöchentlichen Nachrichtenmagazinen. 2004, als die Print-Krise bereits begonnen hatte, brachte das Hamburger Magazin es im zweiten Quartal auf eine wöchentliche Auflage von 1,089 Millionen verkaufter Exemplare. 20 Jahre später war dieser Wert auf 674.902 Hefte geschrumpft. Vielen anderen Medienerzeugnissen geht es ganz ähnlich – und viele haben sich bereits gänzlich aus dem gedruckten Bereich zurückgezogen und erscheinen nur noch digital.
Doch ganz ähnlich wie beim wohl berühmtesten Gallier, Asterix (der übrigens ebenfalls weiterhin gedruckt erscheint), gilt dieser Trend nicht universell. Einige Print-Erzeugnisse erfreuen sich bester Gesundheit und werden es wohl noch für längere Zeit tun.
1. Spezialkataloge
Was ist einer der größten Vorteile, den Gedrucktes gegenüber den digitalen Alternativen hat – wenigstens bis auf Weiteres? Es ist die Möglichkeit, auf höchst einfachste Weise blättern zu können. Das mag vielleicht nicht so komfortabel sein wie Wischen und Klicken auf einem Display, aber es ermöglicht gerade bei enormen Inhaltsmengen ein stark vereinfachtes Suchen und Finden von Inhalten – besonders dann, wenn nicht genau bekannt ist, ob das Gesuchte überhaupt existiert oder wie es korrekt bezeichnet wird.
Egal, ob es der Verkaufstresen eines Kfz-Ersatzteilehändlers ist, ein Autohaus oder ein Spezialist für Handarbeitszubehör: Wo es um speziellere Warengruppen geht, erfreuen sich hunderte Seiten dicke Kataloge, die anderswo gänzlich ausgestorben sind, weiterhin eines enormen Erfolgs.
Freilich werden sie vielfach nur genutzt, um sozusagen den „Erstkontakt“ herzustellen. Hat man das Gesuchte darin gefunden, erfolgt dann alles weitere am Bildschirm. Das ändert jedoch nichts an der Bedeutung – zumal ein von vielen Kundenhänden abgegriffener Katalog bis heute erheblich günstiger zu ersetzen ist als ein verschlissenes Tablet mit Digitalkatalog.
2. Kundenmagazine
Wir leben in einer Zeit, in der das Digitale so überwältigend vielfältig und niedrigschwellig zugänglich ist, dass es für viele an Wertigkeit eingebüßt hat. Der Link zu einem Einrichtungs- oder Reiseartikel etwa, der vielleicht in wochenlanger Arbeit erstellt wurde, ist binnen weniger Sekunden an unzählige Menschen verschickt, binnen weniger Minuten gelesen und wird dann rasch vergessen, da von neuen Artikeln überlagert. Nicht nur in der Print-Branche spricht man deshalb schon seit geraumer Zeit von einem „Kampf“ Masse gegen Klasse.
In einer solchen Ära bekommt hochwertiges Gedrucktes, gerade deshalb, weil Print so sehr an Bedeutung eingebüßt hat, bei vielen den Status von etwas Besonderem. Etwas, das aus dem „digitalen Einheitsbrei“ herausragt. Nicht zuletzt im Marketing ist das von hoher Bedeutung.
Ein digitales Kundenmagazin, so mühevoll es erstellt wurde, kann je nach Zielgruppe als so beliebig angesehen werden wie eine Werbe-Mail. Ein gedrucktes Magazin dagegen, erst recht, wenn es ansprechend konzipiert und gestaltet wurde, hat eine völlig andere Anmutung. Edles Papier, hochwertiges Layout, buchstäblich lesenswerte Inhalte. Selbst wenn ein solches Print-Magazin den Adressaten keinen Cent kostet, so wirkt es dennoch nicht wie ein schnöder Werbe-Flyer, sondern durch die Aufmachung fast schon wie ein Geschenk.
Übrigens gilt Ähnliches bei sehr hochwertigen käuflichen Magazinen. Sie konnten sich ebenso eine Nische als regelrechter Luxusgegenstand bewahren, wo der Massenmarkt längst digitalisiert wurde.
3. Bildbände
Praktisch jeder erwachsene Deutsche hat heute eine extrem leistungsfähige Kamera in der Hosentasche. Eingebettet in ein Gerät, das zigtausende Bilder und Videos speichern und versenden kann. Dennoch lässt sich allein in den TV-Werbeblöcken seit einigen Jahren zu den Sommerferienzeiten und vor Weihnachten ein Trend kaum übersehen: Werbung für Fotobücher.
Ebenfalls gibt es nur wenige professionelle Verleger, die Fotobände planen, sie dann aber nicht (zumindest anteilig neben der e-Book-Variante) in gedruckter Form herausbringen. Die Hintergründe mögen sich unterscheiden, dennoch gibt es starke Gründe, die derartige Bildbände wohl für immer auf hoher Bedeutung halten werden:
Im Gegensatz zur „digitalen Masse“ ist der Platz begrenzt. Das erfordert es zwangsweise, eine Selektion zu treffen – wodurch sich automatisch nur aus irgendeinem Grund „besondere“ Motive in dem Band befinden.
Digitale Displays mögen großartig sein. Solange sie jedoch nicht höchst aufwendig kalibriert wurden (was bei vielen Geräten gar nicht oder nur eingeschränkt möglich ist), zeigen sie Farben und Kontraste nicht naturgetreu bzw. geräteübergreifend einheitlich an. Auf Papier ist es erheblich einfacher, ein Motiv wirklich originalgetreu widerzugeben.
Indem man den Bildband vor sich hat, wird faktisch ein anderes Beschäftigen mit den Motiven nötig. Weder ist ein „Durchwischen“ möglich noch ein Heranzoomen. Man muss intensiver schauen und taucht so tiefer ein.
Nicht zuletzt lässt sich durch die Art des Papiers, die verwendeten Druckfarben, die Drucktechnik und vieles andere noch erheblich variieren. Dadurch wirkt ein Motiv auf mattem Papier beispielsweise völlig anders als auf Hochglanzpapier.
4. Bücher
Wir müssen nicht einmal auf Doktorarbeiten sowie Schul- und andere Fachbücher eingehen, um eines festzustellen: Das e-Book mag insbesondere dank entsprechender Reader ein Erfolg sein. Aber das gedruckte Buch ist dennoch (trotz aller Unkenrufe) weiterhin weit davon entfernt, zu einer aussterbenden Gattung zu gehören.
Selbst bei einer jüngeren Zielgruppe sind e-Books nur bei 15 Prozent der wenigstens gelegentlichen Leser erfolgreicher als das gedruckte Pendant, wie selbst der Digital-Branchenverband Bitkom vermeldet. Und: Ebenso fand er heraus, dass noch 2023 80 Prozent der Befragten zumindest hin und wieder gedruckte Bücher lesen, jedoch nur 36 Prozent so mit e-Books verfahren. Erneut sind die Gründe simpel:
Bücher sind nach wie vor beliebte Geschenke – allerdings lassen sich gedruckte Werke erheblich „schöner“ verschenken.
Druckerzeugnisse benötigen keine anderen Geräte, um konsumiert zu werden.
Bei vielen Werken ist der Preisunterschied zwischen e-Book und gedrucktem Werk eher gering, daher greifen viele zu dem, was sie als wertiger erachten.
Bücher überdauern ohne degradierende Akkus, ohne nicht langzeitfähige Speicher ohne Software-Support. Und garantiert lassen sie sich nicht versehentlich löschen. Sie spielen deshalb u.a. eine enorme Rolle bei der Informationsbewahrung.
Nicht zuletzt kommen noch die extrem wichtigen Buchmessen hinzu – etwa bei uns in Leipzig. Dort ist die Gleichung für viele Autoren und Verlagshäuser sehr simpel: Keine solche Messe würde mit rein digitalen Büchern funktionieren.
Natürlich, all diese Punkte spiegeln den Stand des Frühherbsts 2024 wider. Die Zukunft mag in digitalen Aspekten manches ändern. Dass wir jedoch eine Zeit erleben werden, in der das gedruckte Werk völlig ausgestorben ist, scheint maximal unwahrscheinlich.