Reden wir über eine nachhaltige Stadt, wird das Gespräch schnell auf das Thema Energie gelenkt. Wie produzieren wir sie in Zukunft nachhaltig und verringern damit unseren CO2-Ausstoß, während gleichzeitig die Lebensqualität erhalten bleibt? Dies greift jedoch zu kurz, denn das Utopia von morgen wird nicht allein mit sauberer Energie errichtet. Dieser Artikel zeigt, wie nachhaltige Städteplanung von morgen aussieht.
Wie soll die Stadt von morgen aussehen?
Aus heutiger Sicht wirkt die Vision der Stadt von morgen widersprüchlich. Immer mehr Menschen ziehen vom Land in Städte, gleichzeitig hegt die bestehende Stadtbevölkerung jedoch den Wunsch nach einer grüneren Umgebung. Zwangsläufig wird in Städten dicht gebaut, aber viele Menschen wünschen sich eine weniger dichte Besiedlung, um zum Beispiel den Lärmpegel zu reduzieren. Theoretisch ist dies zu erreichen, indem in die Breite und nicht in die Höhe gebaut wird - aber Menschen wünschen sich keine endlos erweiterbaren Stadtgrenzen, die die Population horizontal verschiebt.
Wie all das genau zu erreichen ist, schwankt je nach Betrachter: Einige Städteplaner priorisieren das eine Thema, andere widmen ihre Energie stattdessen einer anderen Sache. Über bestimmte Aspekte herrscht jedoch Konsens über alle Städteplaner hinweg:
Die Stadt von morgen wird wahrscheinlich hinsichtlich des Verkehrs deutlich reduziert werden. Fahrräder und vergleichbare, elektrische Fortbewegungsmittel sowie öffentliche Verkehrsmittel stehen im Vordergrund. Das individuelle Fahrzeug spielt eine weniger tragende Rolle. Dies wird sich auf die Städteplanung an sich auswirken: Sind Straßen nicht mehr so stark benötigt wie jetzt, wird dies das Stadtbild sehr deutlich verändern.
Eine Lärmreduzierung steht ebenfalls weit oben auf der Agenda. Dies kann beispielsweise durch kürzere Wege und einen weitflächigen Wechsel zu elektrischen Fahrzeugen erreicht werden. Kurze Wege machen den Gang zu Fuß oder mit fahrradähnlichen Fortbewegungsmitteln attraktiver. Autos in der Dichte wie heute verschwinden, Menschen nutzen stattdessen umweltfreundlichere und leisere Fortbewegungsarten.
Das Angebot an freien Flächen für ein gesellschaftliches Miteinander wird ausgebaut. Dies wird beispielsweise durch eine Vermeidung von Parkplätzen im öffentlichen Raum ermöglicht. Da weniger individuelle Fahrzeuge unterwegs sind, schwindet der Bedarf nach Parkflächen. Dies sorgt für weniger deutlich getrennte Stadtkerne: Breite Straßen oder Straßenbahngleise sind seltener notwendig, wodurch deren Trennungswirkung entfällt.
Eine weitere wichtige Rolle spielt die bereits eingangs erwähnte Energiegewinnung.
Grüne Energie und ihre Auswirkung
Verkehrsmittel von morgen werden ausnahmslos elektrisch fahren. Dies erhöht den Bedarf an Strom, der am besten nachhaltig und direkt vor Ort produziert wird. Haus- und Dachflächen können mit entsprechenden Photovoltaikanlagen ausgestattet werden. Neben der Energiegewinnung an sich sind Transportmittel die mit Abstand höchsten Verursacher von Emissionen. Hier gilt es somit, gewaltige Energiemengen aufzubringen, um diese Transportmittel - die ehemals mit fossilen Brennstoffen fuhren - anzutreiben.
Dies wird weitere positive Nebeneffekte mit sich bringen. Da der Lärmpegel sinkt, werden Krankheiten durch einen zu hohen Lärm- und Stresspegel reduziert. Die Lebensqualität steigt deutlich, die Dichte an ruhigen Gebieten in Städten wächst. Technische Geräte, die elektrisch angetrieben werden, verursachen weniger Lärm als ein Verbrennungsmotor. Selbst Areale, die aktuell nicht als Wohngebiet in Frage kommen würden, werden dadurch plötzlich attraktiv. Zudem verbessert sich die Luftqualität deutlich, was ebenfalls vielen modernen Zivilisationskrankheiten vorbeugt.
Die Rolle autonomer Fortbewegungsmittel
Eine immense Bedeutung für die Stadt von morgen werden selbstfahrende Fahrzeuge einnehmen. Dazu sind noch einige technische Durchbrüche notwendig:
- Städte müssen weitgehend vernetzt sein, damit Fahrzeuge untereinander kommunizieren können.
- Die Software in den Fahrzeugen muss im Durchschnitt besser als der Mensch fahren können.
- Die erwähnten Technologien müssen zu einem attraktiven Preis verfügbar gemacht werden.
Sind Autos in der Lage, ihre Wege selbstständig zu fahren, entfällt der Bedarf nach einem Privatfahrzeug annähernd vollständig. Diese Fahrzeuge sind Fortbewegungsmittel, die allen zur Verfügung stehen. Vergleichbar wäre dies mit einem Taxi, das per App herbeirufbar ist - nur ohne menschlichen Fahrer. Dies würde die Auslastung von Fahrzeugen deutlich erhöhen, wodurch weniger Autos pro Stadt notwendig wären. Der Lärmpegel sinkt, die Effizienz beim Transport von Personen pro Fahrzeug steigt drastisch.
Unfälle würden deutlich reduziert werden, da die Software ab einem gewissen Zeitpunkt besser fährt als der Mensch. Je größer die Stadt, desto größer die Vorteile, die durch eine Reduktion des Verkehrsaufkommens stattfindet. Somit lassen sich selbst sehr große Städte planen, die trotzdem mit einer verhältnismäßig geringen Verkehrsdichte auskommen. Weiterhin würden die Kosten für den Transport wesentlich sinken: Mehr als einige Cent pro durchschnittlicher Fahrt sollte ein solches Verkehrssystem nicht kosten.
Der Vorteile funktionsgemischter Areale
Aktuelle, starre Städteplanung sieht häufig unterschiedliche Gebiete vor - wie Wohngebiete, Gewerbegebiete und Industriegebiete. Dieses Modell bringt jedoch zahlreiche Nachteile mit sich. Zugespitzt ist dies in US-amerikanischen Vorstädten sichtbar: Dort wird gewohnt, aber eingekauft wird in der 40 Kilometer entfernt liegenden Stadt. Obwohl nur ein kleiner Einkauf erledigt werden muss, sind dort Wohnende gezwungen, lange Wege auf sich zu nehmen und viel Treibstoff zu verbrauchen.
Gebiete, die in ihrer Funktion gemischt sind, wirken auf Menschen deutlich attraktiver und sind effizienter. Emissionsarme Gewerbe werden in Wohngebiete integriert. Versorgungseinrichtungen des täglichen Bedarfs sind zu Fuß erreichbar, was Zeit spart und lange Wege obsolet macht. Durch diesen "Mischbetrieb" werden Städte auch seltener in Quartiere eingeteilt - etwa zwischen Arm und Reich. Dies kann tägliche Begegnungen fördern.
Vertikale Grünflächen auf Hausdächern
Um die Luftqualität zu verbessern, können flache Dachflächen mit reichhaltigen Grünflächen bebaut werden. Dies hat den positiven Nebeneffekt, dass Pflanzen während ihres Wachstums CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und speichern. Über einen sehr langen Zeitraum wird dies dafür sorgen, globale Klimaprobleme zu vermindern. Zugleich lassen sich dort, gute Erreichbarkeit vorausgesetzt, weitere Begegnungsstätten etablieren.
Ein weiterer möglicher Einsatzzweck sind Gärten, welche auf Hausdächern angelegt werden. Ein Haus für vielleicht drei Parteien mit einem flachen Dach könnte problemlos genügend Fläche bereitstellen, um dort Obst und Gemüse für alle Hausbewohner anzupflanzen. Ein Obstbaum auf dem Dach würde so viel Obst abwerfen, dass wahrscheinlich vieles davon verkauft oder verschenkt werden müsste. Dies sind alles Aspekte, die in modernen Städten fast gar nicht umgesetzt werden, die aber gleichzeitig enorme Auswirkungen auf das tägliche Leben hätten.
Weniger Bedarf nach Besitz
Durch moderne Verkehrssysteme entfällt die Notwendigkeit eigener Fahrräder oder Fahrzeuge im Allgemeinen. Autos werden untereinander geteilt und sind reine Fortbewegungsmittel - und kein Besitz oder Statussymbol. Durch eine intelligente Vernetzung können Bürger sehen, wann wo welches Verkehrsmittel zur Verfügung steht, sodass bestehende Ressourcen bestmöglich genutzt werden. Fortbewegungsmittel wären genau dies - und nicht mehr.
Dies senkt außerdem die Kosten des täglichen Lebens in Städten. Der Kauf von Fahrzeugen und anderen Fortbewegungsmitteln wäre nicht notwendig, da alles nur für einen sehr kurzen Zeitraum zu geringen Kosten geliehen wird. Damit steigen die Möglichkeiten von ärmeren Personen, dennoch in vollem Umfang am Stadtleben teilzunehmen.
Wie realistisch sind die Pläne?
Viele der angesprochenen Veränderungen im Stadtbild sind heute noch nicht umsetzbar. Vollständig autonom agierende Fahrzeuge sind noch einige Jahre entfernt. Die Umstrukturierung ganzer Städte, um die verschiedenen Quartiere abzuschaffen und stattdessen funktionsgemischte Gebiete zu etablieren, wird viel Zeit benötigen. Flache Dächer, die umfassend genutzt werden sollen, stellen Anforderungen an Baumaterialien und die Statik. Die Vermeidung eines hohen Verkehrsaufkommens ist, aus heutiger Sicht, ebenfalls schwierig, da aktuelle Städteinfrastruktur nicht darauf ausgelegt ist.
Dennoch muss auch beachtet werden, dass die Weichen zu dieser Entwicklung bereits gestellt sind. Saubere Energie, um elektrische Fahrzeuge anzutreiben, wird immer weiter ausgebaut. Zahlreiche Automobilhersteller entwickeln die entsprechende Software, um ihre Autos in absehbarer Zeit selbstständig fahren zu lassen. Die strikt getrennte Funktionsmischung in Städten kommt langsam an ihr Ende, was offensichtlich wird und daher entschiedenes Handeln verlangt.
Utopie? Ja - aber keine, die nicht innerhalb der nächsten zehn Jahre zu erreichen ist.