Senftenberg, 8. September 2022 (tpr) – Einst prägte die Industrialisierung Leben und Arbeit der Menschen in Brandenburgs Städten. Doch längst gehören Dampfmaschinen und Ringöfen der Vergangenheit an. Das Touristische Netzwerk Industriekultur in Brandenburg will die Erinnerung an frühere Arbeitswelten wachhalten und lädt zu spannenden Entdeckungen an den Orten der Industriekultur ein. Im Herbst werfen sechs neue Sonderausstellungen des Netzwerkes Schlaglichter auf technische Innovationen, Baustoffe und Arbeitsbedingungen.
Ziegeleipark Mildenberg: Geschichte der Seilbahn
Die Geschichte der Seilbahn steht bis 31. Oktober im Fokus einer Sonderausstellung im Ziegeleipark Mildenberg. Sie beginnt mit dem Leipziger Ingenieur und Unternehmensgründer Adolf Bleichert (1845-1901), Wegbereiter des Seilbahnbaus. Mit seinem Studienfreund Theodor Otto entwickelte er die erste Drahtseilbahn mit industriellem Charakter, die ab 1874 in der Solaröl- und Paraffinfabrik in Teutschenthal bei Halle zum Einsatz kam. Sie transportierte Braunkohle vom Tagebau bis zum Ort der Weiterverarbeitung.
Weitere Innovationen wie Personen-Seilschwebebahnen, Schleppseilanlagen für Skifahrer und Förderanlagen folgten. Die Firma Adolf Bleichert & Co. wuchs zur größten Drahtseilbahnfabrik der Welt heran. Die Ausstellung im Ziegeleipark, eine Leihgabe der Dresdner Verkehrsbetriebe, zeichnet auf Schautafeln die Entwicklung nach und zeigt das Modell einer Kabine der Wankbahn aus Garmisch-Partenkirchen sowie das Modell eines Wagens der Kabelstraßenbahn aus San Francisco.
Stadtmuseum Wittenberge: Arbeiterernährung in der Region
Mit der Industrialisierung kam die Frage auf, wie tausende Arbeiter in den Fabriken sowie ihre Familien satt werden könnten. Die neue Sonderausstellung „Dampfende Kessel – Arbeiter-Ernährung in Wittenberge“, die im Stadtmuseum Wittenberge noch bis zum 4. Dezember zu sehen ist, beleuchtet die Lebensmittelproduktion der vergangenen 150 Jahre in der Stadt an der Elbe, dessen SINGER-Nähmaschinenwerk Anfang des 20. Jahrhunderts unzählige neue Einwohner anlockte.
Kulisse für die Schau ist eine nachgebaute Kleingartenanlage, in der die spannende Ernährungsgeschichte der Stadt anhand von bisher ungezeigten Bildern sowie Schautafeln und Exponaten unter anderem zum Viehmarkt und zur Wasserversorgung gezeigt wird. Doch die Ausstellung beschäftigt sich nicht nur mit der Vergangenheit: Wo und wie kann man sich heute in Wittenberge und der Prignitz regional, gesund und ökologisch ernähren? Auch hierzu gibt es im Stadtmuseum viele überraschende Antworten.
Daneben gibt es im September und Oktober drei buchbare kulinarische Veranstaltungen, in denen originalgetreues DDR-Essen verkostet wird. Das Museum gibt gern Auskunft dazu.
Elektroporzellanmuseum Margarethenhütte: Baustoff Gips
Das Elektroporzellanmuseum Margarethenhütte Großdubrau widmet sich in seiner aktuellen Sonderausstellung dem Baustoff Gips, den der Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler zum Gestein des Jahres 2022 kürte. Es gehörte zu den Materialien, die in der DDR ausreichend vorhanden waren, weil es als Nebenprodukt bei der Verbrennung von Kohle entstand. Die Schau erklärt, wie das Gestein entsteht, wie es gewonnen und verwendet wird. Zu sehen sind unter anderem Gipsgesteine, Gipskristalle und Gipsformen. Die Margarethenhütte Großdubrau, bis 1991 einer der wichtigsten Hersteller für Hochspannungsisolatoren, benötigte das Material für Gipsformen, in die das Porzellan gegossen werden konnte. 17 Ausstellungsräume und das Freigelände gewähren einen Einblick in die Industriegeschichte.
Das Museum blickt zudem auf die Firma Schomburg & Söhne zurück, die vor 150 Jahren das Elektroporzellan nach Großdubrau brachte. Diese wurde knapp zwei Jahrzehnte später weltweit bekannt. Mithilfe der Porzellanisolatoren der Margarethenhütte konnte 1891 zum ersten Mal hochgespannter Drehstrom ökonomisch transportiert werden. Die Sonderausstellung „Großdubrau & die Margarethenhütte“ ist im Wasserturm von Großdubrau zu sehen.
Baruther Glashütte: Schätze aus den Archiven
Was ist ein Hypsometer? Wo kam ein Krempel zum Einsatz? Was steht in Kontorbüchern? Diese Fragen beantwortet die Sonderausstellung „Technisches Kulturgut im Licht historischer Archivalien“ vom 10. September bis 6. November im Museum Baruther Glashütte. Vorausgegangen war das Projekt „Industriegeschichte sichtbar machen“ des Museumsverbandes des Landes Brandenburg. Dafür holten 17 Museen, darunter die Baruther Glashütte, wertvolle Dokumente, Fotografien, Pläne und andere Druckerzeugnisse aus ihren Archiven, um sie zu digitalisieren und auf der Plattform industriearchive.museen-brandenburg.de zugänglich zu machen. Die Zeugnisse erzählen von der Entwicklung der Industriestandorte, ihren Produkten und ihrer Geschichte.
Mit der Ausstellung hebt nun auch die Baruther Glashütte die Bedeutung von Archiven hervor. Neben Exponaten aus dem eigenen Archiv sind auch Leihgaben anderer Technikmuseen, wie ein Hypsometer aus dem Wettermuseum in Lindenberg, zu sehen.
https://museumsdorf-glashuette.de
Energiefabrik Knappenrode: Zwangsarbeit in der DDR
Einem berührenden Thema widmet sich die Energiefabrik Knappenrode. Ab 3. Oktober rückt sie in der Sonderausstellung „Hammer – Zirkel – Stacheldraht“ die Zwangsarbeit politischer Häftlinge der DDR auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt in den Fokus. Die Schau ist eine Leihgabe des Landesbeauftragten für Stasi-Unterlagen aus Sachsen-Anhalt. Ob im Thermometerbau, im Walzwerk, in chemischen Kombinaten oder im Braunkohletagebau – die Häftlinge mussten häufig unter widrigen Umständen Zwangsarbeit leisten. Es mangelte an Arbeitsschutz und Schutzkleidung. Die Häftlinge litten in der Regel unter Schlafmangel und schlechter Ernährung.
Die Ausstellung will einen Beitrag dazu leisten, dass ehemalige politische Gefangene der DDR mehr Anerkennung und Würdigung ihrer Lebensleistung erhalten. Damit soll auch eine Brücke zur Zwangsarbeit politischer Häftlinge im Lausitzer Revier geschlagen werden.
www.energiefabrik-knappenrode.de
Zuse-Computer Museum: Offene Werkstätten
Einen Blick in die Zukunft wirft das Zuse-Computer-Museum in Hoyerswerda mit der Wanderausstellung „Open Hardware“ vom 8. Oktober bis 6. November. Sie präsentiert technische Entwicklungen aus „Offenen Werkstätten“, an denen Menschen Wissen, Werkzeuge und Material teilen. Zum Konzept gehört, dass die Exponate von allen nachgebaut und weiterentwickelt werden können. Deshalb liefern die Erfinder den Fertigungsablauf mit. Die Idee könnte Teil einer zukunftsgerichteten Wirtschaft werden, in der jeder Zugang zu Werkzeugen, digitalen Technologien und Wissen hat. Zu sehen sind unter anderem ein Showerloop, ein Gerät, das Wasser spart, weil es dieses im Kreislauf hält, sowie eine CO2-Ampel, die während der aktuellen Corona- Pandemie in Schulen eingesetzt wurde.
Weitere Informationen zu den Museen und ihren Erlebnissen bietet die Webseite des Touristischen Netzwerkes Industriekultur www.industriekultur-brandenburg.de.