Gänsehaut im Atombunker: Festung Königstein lädt zum immersiven Geschichtserlebnis

Dana -
Festungschef Dr. André Thieme (l.) und Kurator Ingo Busse am Notstromaggregat des einstigen DDR-Bunkers. Foto: Marko Förster/Festung Königstein gGmbH
Festungschef Dr. André Thieme (l.) und Kurator Ingo Busse am Notstromaggregat des einstigen DDR-Bunkers. Foto: Marko Förster/Festung Königstein gGmbH

Neue Erlebnisse auf der Festung Königstein: Mit immersiven Inszenierungen erzählt die Museumsanlage auf dem Tafelberg in der Sächsischen Schweiz jetzt weitere Kapitel ihrer Geschichte – und beschreitet damit neue Wege in der Museumsarbeit.

Königstein/Sächsische Schweiz, 26. März 2024 (tpr) – Krachend fällt die schwere Stahltür zu, das Licht flackert, eine Explosion erschüttert das Bauwerk, Sirenengeheul, Generatoren springen an, aufgeregte Stimmen dringen aus dem Funkraum: So ähnlich hätten es die Menschen erlebt, die zu DDR-Zeiten im Ernstfall im geheimen Atombunker auf der Festung Königstein Schutz gesucht hätten. Und so erleben es seit Dienstag die Besucher einer neuen, multimedialen Ausstellung in dem original erhaltenen Bunker im Festungswald. Es ist die beeindruckendste Inszenierung von Geschichte auf dem Tafelberg und zugleich die erste Dauerausstellung hier zur DDR-Vergangenheit. Daneben hält die Museumsanlage noch eine weitere Neuerung für die kommende Saison parat.

„Immersive Inszenierungen zeigen, dass Geschichte mehr ist als Zahlen und Fakten. Sie holen die Vergangenheit als konkretes Erlebnis in die Gegenwart. Auch das ist Aufgabe von Museen“, sagt André Thieme, Geschäftsführer der Festung Königstein gGmbH. „An das Festungskapitel der DDR-Zeit sind wir mit großem Respekt herangegangen. Wir haben uns gefragt, wie wir einen Zugang zu einem so beklemmenden Bauwerk schaffen können, wie wir etwas Einprägsames schaffen können. Und ich denke, beides ist uns gelungen.“

Streng geheim: der Bunker für die DDR-Zivilverteidigung

Der ehemals riesige unterirdische Hohlraum wurde 1889 als Kriegspulvermagazin errichtet. Dafür wurden 7 000 Kubikmeter Sandstein aus dem Felsen gesprengt und in der Baugrube Wände hochgezogen, die ein beschussfestes Gewölbe tragen. Dieses setzt sich heute noch aus Ziegeln, Sand, Stampfbeton und Erde zusammen. In den 1960er Jahren erfuhr das Bauwerk die Umwidmung zum Bunker für den damaligen Luftschutz. Bis zur Wende blieb das allerdings geheim – und das, obwohl die Festung bereits ein öffentlich zugängliches Museum war. Ein Komplex hinter dicken Festungsmauern, hoch über der Elbe, abseits der Stadt, umgeben von Wald: Der Standort erschien den Funktionären ideal für einen Schutzraum. „Wäre der kalte Krieg eskaliert, hätte die Kreiseinsatzleitung Pirna von hier den Zivilschutz organisiert“, erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter der Festung Königstein Ingo Busse.

Der Museologe ist Kurator der neuen Ausstellung. Monate der Forschung und Planung stecken in dem Projekt. „Der Bunker ist hier im Umkreis etwas Besonderes“, sagt Ingo Busse. Nicht nur, weil er als Führungsbunker eine Sonderstellung einnehme, sondern auch weil er als Teil des Museums Festung Königstein immer unter Verschluss war. Das führte dazu, dass technische Anlagen fast 40 Jahre im Originalzustand erhalten und zum Teil funktionstüchtig geblieben sind. Zu sehen sind etwa gusseiserne Überdruckklappen, eine Dekontaminationsdusche, eine Abwasserpumpe, das verzweigte Belüftungssystem, ein Dieselnotstromaggregat, zwei Wasserbehälter und Reste der Telefonzentrale.

Besucher können das Bauwerk im Rahmen von Führungen besichtigen. In kleinen Gruppen werden sie in den Kommandobunker hineingeführt. Ab da leitet eine Licht- und Toninstallation durch die verwinkelten Gänge und Räume. Multimedial erzählt eine Ausstellung die Geschichte des Gebäudes, erklärt die Arbeit der DDR-Zivilverteidigung und vermittelt das allgegenwärtige Bedrohungsgefühl zur Zeit des Kalten Krieges. Ein Mitarbeiter der Festung steht für Fragen zur Seite – und begleitet die Besucher auch wieder heraus.

Als das Grüne Gewölbe auf der Festung war: Zeitreise im Pulvermagazin

Eröffnet wurde am Dienstag noch ein zweites geschichtsträchtiges Bauwerk. Es befindet sich am Rand des Festungswalds und diente ebenso der Pulvereinlagerung. Auch das „Geschossmagazin Nr. 2“, nur wenige Schritte vom DDR-Bunker entfernt, erfuhr im Laufe der Jahrhunderte bauliche Veränderungen und Umnutzungen. Eine spezielle Breitwand-Projektion in dem großen Gewölberaum nimmt die Besucher jetzt mit auf eine Zeitreise durch die wechselvolle Vergangenheit des Bauwerks.

Hautnah und auf Augenhöhe sind Besucher mit dabei, wenn Architekt Jean de Bodt 1735 über seine Baupläne für das Pulvermagazin spricht, um in Kriegszeiten 450 Fässer hochexplosiven Schwarzpulvers darin zu lagern. Oder wenn das Magazin im 19. Jahrhundert beschussfest gemacht und bereits sechs Jahre später aufgrund der Einführung neuer Artillerietechnik unbrauchbar wurde und damit nur noch als Geschossmagazin diente. 1953 treffen sie auf einen Insassen des Jugendwerkhofs, der sich hinter den Mauern vor dem Appell drückt, und geraten dann durch die Zeit zurück in eine Nacht- und Nebelaktion, bei der die Kunstschätze des Dresdner Grünen Gewölbes im Siebenjährigen Krieg auf die Festung ausgelagert werden. Dabei wabert Nebel durch den Raum und erzeugt das Gefühl, mitten im Geschehen zu stehen. Der neunminütige Kurzfilm von Regisseur David Campesino läuft auf einer Projektionsfläche von fast 13 Metern Länge. Er wurde aufwändig produziert, unter anderem mit mehreren Schauspielern des Dresdner Staatsschauspiels. Die neue „Zeitreise Pulvermagazin“ ist ganztags während der Öffnungszeiten der Festung Königstein zu erleben und im Festungseintritt inklusive.

Erlebnisort Festung Königstein

Mit dieser Form der Museumsarbeit beschreitet die Festung neue Wege. Die Anlage auf dem Tafelberg zu einem außergewöhnlichen Erlebnisort entwickeln: Das ist das Ziel von Festungschef André Thieme. Immersive Inszenierungen sollen dabei eine wachsende Rolle spielen. Den Ansatz des Erlebens setzt die Bergfestung bereits in Ausstellungen, wie „In lapide regis“, den Ausstellungen im Alten und Neuen Zeughaus sowie im Proviantmagazin mit einer Installation zum Riesenweinfass Augusts des Starken um. In der Georgenburg reisen Besucher mittels VR-Brillen in die Renaissance.

Rundgänge durch den DDR-Bunker bietet die Festung zunächst vom 29. März bis 1. April jeweils vier Mal täglich an. Startzeiten und Treffpunkt sind auf der Website www.festung-koenigstein.de zu finden. Die Teilnahme kostet vier Euro, Kinder bis 16 Jahre sind kostenfrei. Die Besichtigung wird ab zehn Jahren empfohlen. Über weitere Termine informiert die Festung ebenfalls auf ihrer Website. Die Festung Königstein ist täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet, ab Karfreitag bis 18 Uhr. 

Quelle: Festung Königstein gGmbH