American Football: Nachlese und Ausblick für vom Super Bowl Angestachelte

Dana - Donnerstag, 17. Februar 2022 - 10:26 Uhr
Photo by Riley McCullough on Unsplash
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Der Super Bowl der Saison 2021/22 der National Football League ist Geschichte. Im letzten Spiel der wichtigsten Football-Liga der Welt konnten sich die Los Angeles Rams in einem packenden Finale gegen die Cincinnati Bangels durchsetzen.

Wie in jedem Jahr, so dürften in dieser, dank der Zeitverschiebung, sehr langen Nacht erneut wieder zahllose Deutsche, auch in unserer Region, erstmalig mit diesem Sport in Kontakt gekommen sein. Ein Sport, der so keinen echten Gegenpart in Deutschland hat, aber dennoch und gerade deshalb immer mehr Fans bekommt und längst begonnen hat, sich über die Grenzen des nordamerikanischen Kontinents auszubreiten – nicht nur zu uns.

Für all diese Menschen, die jetzt vielleicht noch mit etwas müden Augen auf das Display schauen und durch diesen Kampf der Titanen begeistert sind, ist dieser Artikel gedacht. Weniger das trockene Auflisten von Geschichte und Regeln, sondern viel mehr anderes Hintergrundwissen für alle, die sich jetzt zumindest ein bisschen mit dem Football-Fieber infiziert haben und mehr wollen von diesem „Rasenschach mit Kühlschränken“.

Kurzer Überblick über das Spielprinzip

Wer beim Super Bowl erstmalig mit American Football (ganz korrekt übrigens eine Variante des Gridiron Football) in Kontakt kam, der wird wahrscheinlich etwas konfus vor dem Fernseher gesessen haben. Denn ungleich zu den meisten anderen Mannschaftssportarten, die man als typischer Sachse kennt, gibt es hier keine dauerhafte Bewegung, sondern eine andauernde Abwechslung von kurzzeitiger Intensiv-Action, Aufstellungsphasen und anderen Verzögerungen.

Die tatsächlichen Regeln der NFL umfassen nicht weniger als 95 Seiten. Selbst das absolute Basiswissen ist recht umfangreich. Im Prinzip läuft es jedoch auf einige glasklare Spielprinzipien hinaus:

  • Jede Mannschaft besteht aus elf Spielern. Auf dem Feld befindet sich zu jeder Zeit je eine angreifende (Offense) und eine verteidigende (Defense) Mannschaft.

  • Die Offense hat vier Spielzüge (Downs), den Ball über eine Distanz von zehn Yards (9,1 Meter) zu transportieren. Gelingt ihnen das bei irgendeinem Spielzug, bekommen sie weitere vier Spielzüge. Gelingt es ihnen nach dem vierten nicht, wechselt das Angriffsrecht zum Gegner.

  • Ziel ist es, mit diesen Spielzügen den Ball so weit zu spielen, bis er entweder in die gegnerische Endzone zum Touchdown (6 Punkte) gebracht oder ab einer gewissen Distanz zum Field Goal durch das Tor getreten werden kann (3 Punkte). Gelingt der Touchdown, darf die Mannschaft für den Point after Touchdown um einen weiteren Punkt aufs Tor schießen.

Dies läuft über vier Halbzeiten (Quarters) mit einer Netto-Spielzeit von je 15 Minuten.

Wie geht es denn jetzt weiter?

Der Super Bowl mag dasjenige Ereignis sein, das die meisten Nicht-Amerikaner an den Sport heranführt. Was die Zeit anbelangt, ist es jedoch der ungünstigste Moment. Denn die US Football Season beginnt im August und endet im Februar mit dem Super Bowl. Dazwischen liegt eine lange Pause ohne Spielbetrieb.

Die (voraussichtliche) Zeitleiste für 2022 sieht dementsprechend so aus:

  • Zwischen 28. und 30. April läuft der NFL-Draft. Das ist der wichtigste Auswahlprozess für neue Spieler. Dabei handelt es sich um einen großen Markt, bei der sich die 32 NFL-Teams Nachwuchstalente aus den Colleges sichern können. Sehr spannend, selbst für Football-Laien.

  • Am 4. August beginnen die Spiele der NFL Preseason. Quasi Aufwärmspiele ohne Wertung für die kommende Saison.

  • Am 27. August beginnt die College-Football-Saison. Der wichtigste Amateur-Football, der sich in Sachen Spannung (und Bedeutung in den USA) kaum von der NFL unterscheidet.

  • Am 8. September beginnt dann die NFL Regular Season. Sie dauert bis zum 8. Januar 2023. Die verbliebenen Mannschaften spielen ab 14. Januar im KO-Modus der Playoffs, bis die letzten beiden für den Super Bowl feststehen.

Warum diese lange Pause?

Als typischer Fußball-Fan kennt man nur wenige spielfreie Wochen im Sommer und Winter. Das Football-Prinzip mutet mit seinen nur etwa 20 Wochen dagegen kurz an. Das hat jedoch gute Gründe:

  1. Football ist ein Vollkontaktsport. Sehr anstrengend und mit enormem Verletzungsrisiko. Pro Spiel sind die Belastungen deutlich höher als in anderen Sportarten. In praktisch keiner anderen Disziplin muss beispielsweise der Spielmacher ernsthaft befürchten, von einem 150-Kilo-Hühnen umgerissen und getackelt zu werden.

  2. Alle Football-Teams in sämtlichen Ligen sind über die kompletten USA (ohne Alaska und Hawaii) verteilt. In vielen Staaten ist es jedoch im Frühjahr und Sommer nahezu unspielbar heiß und/oder schwül.

Warum ist Football hierzulande neuerdings so populär?

Football war lange Zeit in der Tat eine rein nordamerikanische Sportart. Allerdings blühte sie hierzulande bereits dort, wo in Westdeutschland US-Truppen stationiert waren. Warum sie jedoch mittlerweile bei uns eine ernstzunehmende Fangemeinde entwickelt hat, hat andere Gründe:

  1. Das Internet: Über soziale Netze und nicht zuletzt Videoportale kamen ab den 2000ern immer mehr Deutsche in Kontakt mit Football und lernten den Sport zu mögen.

  2. Expansionsbestrebungen: Die NFL möchte natürlich weiterwachsen. Wie jede Profiliga ist sie ein Wirtschaftsunternehmen. Genauer: Die umsatzstärkste Profiliga der Welt. Deshalb sorgt sie schon länger durch gezieltes Marketing dafür, dass der Sport außerhalb Nordamerikas bekannter wird – und trifft außerhalb der Rugby-Nationen auf einen wirklich leeren Raum.

  3. Sportwetten: Die seit einigen Jahren stark entschärften diesbezüglichen Regularien ließen Buchmacher sich des Themas annehmen, umfangreiche Analysen und Abschätzungen und natürlich Wettmöglichkeiten offerieren. Hier bietet sich zudem eine Brücke, die viele Fans anderer Sportarten zum Football zieht, wenn sie sich auf Wettportalen befinden.

  4. Veränderte Gewohnheiten: Weltweit ändern sich die Freizeitgewohnheiten rapide. Das hat bei uns sowohl das Aussterben klassischer Sportvereine zur Folge als auch ein aufblühendes Interesse an anderen Themen – eben beispielsweise Football.

  5. TV-Übertragungen: Von der ersten Erwähnung der Super-Bowl-Ergebnisse in deutschen Nachrichten war es ein sehr langer Weg. Heute jedoch gibt es in der großen deutschen Fernsehlandschaft feste Termine für den ganzen Spielbetrieb.

Zudem kann Fußball mittlerweile auf deutlich über ein Jahrhundert Popularität zurückblicken. Das hat, nicht nur bei jüngeren Menschen, für eine gewisse Übersättigung gesorgt, die generell andere Sportarten interessant macht – besonders solche, deren Prinzip sich völlig vom Gewohnten unterscheidet.

Was ist die Magie von Football?

Wer als Deutscher Football schaut, der zieht wahrscheinlich zwangsläufig Vergleiche zum Fußball und attestiert diesem vielleicht größeren Temporeichtum. Das ist jedoch nur eine Illusion, die aus dem sich ständig in Bewegung befindlichen Ball herrührt.

Die Magie von Football fußt indes auf einem deutlich höheren Stellenwert von Strategie und Taktik im Vergleich mit anderen Mannschaftssportarten. Die möglichen Vorgehensweisen von Offense und Defense sind extrem vielfältig. Zudem wird vieles erschwert und gleichsam erleichtert, weil vergleichsweise brutales Vorgehen erlaubt ist (selbst wenn die Regularien hier sehr stark differenzieren).

Wer vergleichen möchte, sollte sich fragen, wie Fußball aussähe, wenn ein Außenverteidiger einem Mittelfeldspieler ein absolut regelkonformes Bodycheck geben und ihn damit umwerfen dürfte. Fußball müsste dann ebenfalls völlig andere Vorgehensweisen finden, um Lücken in der Verteidigung zu suchen und auszunutzen. Wer mag, kann sich diesbezüglich den legendären „The Drive“ ansehen. Dabei machten die Denver Broncos 1987 98 Yards Raumgewinn in nur fünf Minuten und schafften es in die Verlängerung – wo sie die Cleveland Browns bezwangen.

Und natürlich gehört es ebenfalls zur Football-Magie, dass hier vieles gestattet, ja sogar nötig ist, was in anderen Sportarten einen sofortigen Platzverweis nach sich zöge. Die Körperlichkeit des Footballs mag zwar vielkritisiert werden, für viele Fans macht sie jedoch einen wichtigen Teil aus.

Wo kann ich jetzt mehr über Football lernen?

Vor allem im Internet. Wer sich nicht mit den Regeln aufhalten, sondern vor allem Action genießen möchte, der sollte sich besonders auf YouTube umsehen:

Allerdings sei darauf hingewiesen, dass nicht nur in Nordamerika Football gespielt wird. Es gibt sowohl einen American Football Verband Sachsen als auch einen deutschen Spielbetrieb und mit den Dresden Monarchs das erste sächsische Football Team. Das heißt, Football ist für Deutsche definitiv nicht nur vor dem Bildschirm zu genießen.

Wo und wann kann ich Football ansehen?

Ein schöner Fact zum US-Football ist die Aufteilung des Spielbetriebs: Während der Season

  • spielen freitagsabends die High-School-Mannschaften,
  • treten samstags die College-Teams an und
  • laufen die NFL-Spiele sonntags und teilweise montags.

Für die Amerikaner gibt es deshalb niemals Terminüberschneidungen. Egal ob sie das örtliche High-School-Team oder die Mannschaft ihres Colleges sehen möchten oder eben die NFL.

Was das anbelangt, herrschen mittlerweile in Deutschland geradezu paradiesische Zustände: Abzüglich High-School-Football können deutsche Fans alles sehen:

  • Die Sender ProSieben und ProSieben Maxx übertragen sams- und sonntags je zwei Ligaspiele im Free-TV und je eins im Live-Stream. Außerdem übertragen sie alle Playoff-Spiele und wichtige Turniere sowie den Draft.

  • Der Sportsender DAZN zeigt praktisch die komplette Riege der NFL- und einige College-Spiele.

  • Brandaktuell wurde zudem beschlossen, dass von den fünf internationalen NFL-Spielen der kommenden Saison nicht nur drei in Großbritannien stattfinden werden, sondern erstmalig eines in München.

Da sich die Fan- und Zuschauerzahlen in den jüngsten Jahren stark vergrößert haben, ist zudem eine weitere Vergrößerung des Angebots zu erwarten. So wird ab der übernächsten Season wohl auch Frankfurt (Main) Gastgeber für wenigstens ein Ligaspiel sein. Vielleicht dauert es noch, bis Football bei uns so normal geworden ist wie Fußball. Aber das eine muss ja nicht das andere ausschließen.